Dr. Tamás Fabiny: Er geht vor uns hin nach Galiläa
Oder wie einst – bei einer Fernsehshow – können wir eine, bzw. einen unserer christlichen Schwester oder Brüder um „telefonische Hilfe“ bitten, doch länger als nur für 30 Sekunden. Oder wir schlagen einfach Mal unsere Bibel auf und alleine oder in Gemeinschaft lesen wir das Wort, beten und vielleicht erhalten wir durch das Kirchenmagazin „Evangélikus Élet“ (Evangelisch-lutherisches Leben) unser tägliches Brot. Ich sage all das als Ermutigung: Gott lässt uns nicht ohne sein Trost spendendes Wort alleine! Und wenn es möglich ist in die Kirche zu gehen, dann betrachten wir das als besondere Gnade Gottes!
Zur Karwoche und zu Ostern letzten Jahres war der Anblick der leeren Kirchenbänke für mich als Pfarrer natürlich ein schmerzvolles Erlebnis. Es tat weh, die traditionelle Fußwaschung am Gründonnerstag und am Karfreitag unsere Anlässe in der Burggemeinde in Buda nicht halten zu können.
Auch am Deák-Platz war es dem Chor und Ensemble Lutherania nicht mehr möglich die Johannes Passion vorzutragen und konnten wir die erwartete Katharsis nicht mehr durchleben. Uns fehlte auch der Gottesdienst zum Sonnenaufgang am Ostersonntag, wo wir oft Erwachsene taufen und konfirmieren, wonach wir gemeinsam das Abendmahl nehmen und dann zusammen frühstücken.
Zu einem meiner ergreifendsten Erlebnissen wurde es, als ich am Ende der Karwoche meine Ostern-Gottesdienste in die Kamera sprach. Schlimmer als dieses zeitliche Durcheinander war die Ansicht der menschenleeren Kirche.
Doch danach durfte ich die wunderbare Trost Gottes erfahren: die Leere der Kirche erinnerte mich an das leere Grab! „ Er ist nicht hier; er ist auferstanden (….) er geht vor euch hin nach Galiläa …) (Mt 28,6-7) – konnte ich das Engelswort zitieren, das er den zum Grab eilenden Frauen sagte.
Zu Ostern 2021 – sollten unsere Gottesdienste vor Ort oder online gehalten werden – wird des Frage des Engels genauso gültig sein: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“(Lk 24,5) Den Auferstandenen kann man nicht in eine Kirche schließen, er geht vor uns hin nach Galiläa.
Tomas Halik, Religionsphilosoph aus Prag, erinnert sich an den Predigt von Kardinal Bergoglio - des späteren Papst Franziskus – den er einen Tag vor seiner Wahl zum Papst über den bekannten Text hielt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ (Apokalypse 3,20). Und er sagte: „Christus steht vor der Tür und klopft an. Christus aber klopft jetzt von der Innenseite der Kirchentür und möchte nach Außen gehen.“
Ja, inmitten des durch die Corona-Pandemie überschatteten Ostern können wir alle erfahren, dass wir den Auferstandenen nicht unbedingt in der Kirche oder bei der Prozession antreffen, sondern unter viel persönlicheren Umständen: bei uns, zu Haus. Auch hier kann Jesus uns besuchen. Es ist ein ganz außergewöhnlicher Osternbericht im Evangelium Johannes zu lesen, als Jesus bei seinen bangenden Jüngern ankam „die Türen verschlossen waren ” (Jn 20,26). Da „tritt [Er] mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!“ (Jn 20,26). Gibt es überhaupt ein größeres Geschenk zu Ostern als das?
Dort und da sagte der auferstandene Jesus: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ (Jn 20,21). Was bedeutet, wir müssen die frohe Nachricht der Auferstehung in der Welt weiter verkünden. Nach der Krise und der zwanghaften Schließung der Kirchen müssen wir zu einer ganz anderen Kirche werden. Wir dürfen aus der tausend Jahre alten Geschichte lernen, wonach der Kalif in Ägypten die Kirchen der Christus-Folger habe abschließen lassen.
Doch als er durch eine der Straßen in der Christen wohnten gegangen sei, habe er aus allen Häusern Gebete und Gott lobenden Gesang gehört. Er soll sofort befohlen haben: „Öffnet alle Kirchen und lasst die Christen beten, wie sie wollen. Ich wollte in allen Straßen eine Kirche schließen lassen, doch erst jetzt sehe ich, dass ich dadurch in jedem Haus eine geöffnet hatte.“
Der auferstandene Jesus geht vor uns hin nach Galiläa. Zur Bibelzeit war Judäa der wahre sakrale Ort, in dessen Mitte mit der heiligen Stadt, Jerusalem. Im Gegensatz dazu, war der nördliche Teil des Landes, jenseits von Samarien, „das Galiläa der Heiden“. (Mt 4,15) Da fanden die besonderen Wunder statt, die großen Bekehrungen. Und jetzt erwartet Jesus seine Jünger auf die Stelle zurück. Auch die Kirche ruft er nach Galiläa: in die Welt der Sünde, unter den Erbärmlichen, Kranken und Leidenden.
Zu diesem Ostern machen wir uns auf den Weg in den Fußstapfen des auferstandenen Jesu. Lassen wir uns von Ihm nach Galiläa leiten: da wird er uns Aufgaben erteilen. Der verklärte Herr geht aber noch weiter entfernt, er geht an einen Ort, der noch mehr Proben bereit hält als Galiläa: nach dem Buch der Apokalypse auf die Insel Patmos. Da besucht Er in einer eigentlichen Strafkolonie den Verfolgung erlittenen Apostel Johannes, und sagt von sich: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.” (Apokalypse 1,17-18).